Die deutsche gesetzliche Unfallversicherung

Die gesetzliche Unfallversicherung ist vermutlich der am wenigsten bekannte Zweig des deutschen Sozialversicherungssystems. Nach der Krankenversicherung ist die gesetzliche Unfallversicherung jedoch die zweitälteste Sozialversicherung Deutschlands.

Das Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884 war das erste dieser Art in der Welt. Es hatte einen grundlegenden Wandel zur Folge. Bis dahin musste der Schadensersatz für einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit direkt gegen den Unternehmer geltend gemacht werden – ein oft aussichtsloses Unterfangen, da dem Arbeitgeber durch den Beschäftigten ein Verschulden nachgewiesen werden musste.

Seitdem kann der Schadensersatz für einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit bei dem zuständigen Unfallversicherungsträger geltend gemacht werden, die die Haftung der einzelnen Unternehmer ablösen. Dies dient u. a. auch der Sicherung des Betriebsfriedens.

Primäre Aufgabe der gesetzlichen Unfallversicherungsträger ist die Verhütung von Unfällen am Arbeitsplatz (und in der Schule) sowie die Prävention bei arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren. Doch trotz aller Erfolge in der Arbeitssicherheit und im Gesundheitsschutz kommt es zu Unfällen und Krankheiten.

Sollte es trotz aller Bemühungen um Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz zu einem Unfall oder zur Berufskrankheit kommen, lautet der Grundsatz der gesetzlichen Unfallversicherungsträger „Rehabilitation vor Rente“!

Das bedeutet: Die optimale medizinische Betreuung des Versicherten sowie seine berufliche und soziale Wiedereingliederung stehen stets im Vordergrund aller Bemühungen, da eine erfolgreiche Rehabilitation für die Versicherten die beste Lösung ist. Eine Rente wird daher erst gezahlt, wenn alle sinnvollen und zumutbaren Rehabilitationsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Sind Versicherte in Folge von Arbeitsunfällen oder Berufserkrankungen verstorben, zahlen die Berufsgenossenschaften u. a. Hinterbliebenenrente.

Im System der sozialen Sicherung in Deutschland sind die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (Gewerbliche Berufsgenossenschaften, Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand, Landwirtschaftliche Unfallkassen) zuständig für die Folgen von Arbeitsunfällen, Wegeunfällen und Berufskrankheiten. Die gesetzliche Unfallversicherung ist für die Versicherten (Beschäftigten) beitragsfrei, die Kosten der gesetzlichen Unfallversicherungen tragen allein die Arbeitgeber.

Die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand sind in 34 Gemeindeunfallversicherungsverbände und Unfallkassen gegliedert, die ca. 35 Millionen Menschen gesetzlich versichern. Hierzu gehören etwa 17 Millionen Kinder in Tageseinrichtungen, Schüler und Studierende, 4,3 Millionen Arbeiter und Angestellte des öffentlichen Dienstes sowie Haushaltshilfen.

Des Weiteren gehören ungefähr 4 Millionen Personen, wie z.B. freiwillige Helfer in Unternehmen und im Zivilschutz, Personen, die bei Unglücksfällen oder allgemeiner Not Hilfe leisten, und für den Bund, Land oder eine Gemeinde ehrenamtlich Tätige, außerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses zum versicherten Personenkreis. Unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen auch häusliche Pflegende und weitere Personen aus sozialstaatlichen Gründen.

Die Unfallversicherung der öffentlichen Hand sichert Schüler an allgemein bildenden Schulen und Berufsschulen und Studierende umfangreich ab. Unfallversichert sind alle Tätigkeiten innerhalb des rechtlichen und organisatorischen Verantwortungsbereichs der Schule. Dazu zählen die Teilnahme am Unterricht, die Pausenzeiten, Schulausflüge, Auslandsfahrten, schulische Arbeitsgemeinschaften, Wege von und zur Schule etc. Bei Berufsschülern sind alle Tätigkeiten in Zusammenhang mit der Ausbildung im Betrieb bei der zuständigen Berufsgenossenschaft versichert.

Die gewerblichen Berufsgenossenschaften sind nach Branchen gegliedert. Der Vorteil dieses Systems: Sowohl in der Unfallverhütung als auch im Gesundheitsschutz können praxisnahe Lösungen realisiert werden. Insgesamt gibt es 26 gewerbliche Berufsgenossenschaften (Stand 01.2006).

Jeder Unternehmer ist per Gesetz Mitglied der Berufsgenossenschaft, die für seine Branche zuständig ist und besitzt die gesetzliche Fürsorgepflicht für die Sicherheit und die Gesundheit seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Arbeitsplatz.

Bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften sind rund 42 Millionen Arbeitnehmer versichert. Versichert ist jeder, der in einem Arbeits-, Ausbildungs- oder Lehrverhältnis steht. Der Versicherungsschutz ist unabhängig von Alter, Geschlecht, Familienstand, Nationalität, Einkommen oder von einer ständigen oder einer vorübergehenden Beschäftigung.

Die Berufsgenossenschaften finanzieren sich ausschließlich aus den Beiträgen der Mitgliedsunternehmen. Beschäftigten zahlen nichts. Die Höhe der Beiträge ergibt sich aus der Unfall- und Berufskrankheitengefährdung in einem Unternehmen (Gefahrenklasse), der Lohn- und Gehaltssumme der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen und der Anzahl, Schwere und Kosten der Unfälle und Berufskrankhei-ten im Unternehmen (Zuschlag oder Nachlass).

Durch die Gefahrenklassen wird eine gerechte Beitragserhebung erreicht. Branchen mit einem großen Unfallrisiko müssen höhere Beiträge zahlen. Durch das Zuschlags- und Nachlassverfahren aufgrund der Unfälle wird das Engagement der Unternehmen in der Arbeitssicherheit und im Gesundheitsschutz unmittelbar gewürdigt.

Soweit die Unfallkasse des Bundes und die Unfallversicherungsträger im Landes- und kommunalen Bereich zuständig sind, werden die Kosten der Unfallversicherung von den jeweiligen Gebietskörperschaften für ihren Bereich im Wesentlichen aus Steuermitteln getragen. Die Beiträge für Versicherte in privaten Haushalten sind von den Haushaltsführenden zu entrichten.

Wenn ein Unfall passiert ist, kommen die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für alle Leistungen auf, die zur Rehabilitation der Versicherten nötig sind. Nach einem schwerwiegenden Unfall zählen dazu

  • die Übernahme der Kosten, die durch die Behandlung der Verletzungen, z. B. auch in speziellen Rehabilitationskliniken, entstehen,
  • spezielle Fördermaßnahmen, damit die Schülerin bzw. der Schüler den Schulabschluss erlangen kann,
  • die Vermittlung eines Rehabilitationsberater, der die Verhandlungen mit der Bundesagentur für Arbeit, den Unternehmen, Berufsförderungswerken und anderen Stellen übernimmt, die zur schulischen und beruflichen Rehabilitation wichtig sind,
  • die Übernahme der Reisekosten, die zur Durchführung von Behandlungen oder der schulisch-beruflichen Rehabilitation nötig sind,
  • die Zahlung einer Rente, falls der / die Versicherte erwerbsgemindert ist.

Stand: 13.01.2006. Frank Werner, Dipl. Ing. c/o Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, – Prävention Tiefbau -. (mod. 31.01.06 pf)

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